Ehemalige

Erfahrungsbericht zweier ehemaliger Schüler des Namensgebers der WKS

Von Dr. Andreas Böttig

„Ich reiß‘ euch den Mastdarm raus!“ – Wilhelm Knapp (1884 – 1966), der Namensgeber des beruflichen Bildungszentrums Wilhelm-Knapp-Schule (WKS) Weilburg, konnte schon sehr deutlich werden, wenn seine Schüler nicht den erforderlichen Arbeitseinsatz zeigten oder sich nicht so verhielten, wie er es von ihnen verlangte. „Die Beißzange“ nannten ihn manche Zöglinge hinter seinem Rücken dann gelegentlich. Aber Wilhelm Knapp konnte auch ganz anders sein, denn seine pädagogischen Fähigkeiten führten zu Lernerfolgen bei den Schülern, die er bei ihrer Ausbildung unterstützte und auch privat hatte der Schulleiter ein offenes Ohr für ihre Anliegen und Probleme.

Der neunzigjährige Willi Wagner (Jahrgang 1932), ein ehemaliger Schüler des Pädagogen und Schulleiters, konnte einige Anekdoten – wie die zuvor zitierten Sprüche – über seinen alten Lehrer berichten. Auch der am 26. April 1928 geborene Heribert Wagner – trotz des gleichen Nachnamens nicht mit Willi Wagner verwandt – hat Wilhelm Knapp ebenfalls noch als Lehrer erlebt und wurde von ihm unterrichtet. Die beiden Zeitzeugen berichteten in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter der WKS, Stefan Jeanneaux-Schlapp, und dem WKS-Lehrer Dr. Helmut Löhn, der den Kontakt zu den Senioren hergestellt hatte, über ihren gemeinsamen Unterricht bei dem Pädagogen und Schulleiter, dessen Namen die Schule heute trägt.

Heribert Wagner und Willi Wagner waren beide nach dem 2. Weltkrieg – vermutlich ab 1946 (ein „Wikipedia-Eintrag“ nennt 1947 als offiziellen Schulbeginn nach dem Krieg) – gemeinsam als Schreinerlehrlinge in einer Berufsschulklasse, die von Wilhelm Knapp unterrichtet wurde. Da das heutige Gebäude der WKS in der Frankfurter Straße noch nicht existierte, fand der Unterricht in der Hainkaserne statt. Damals gab es in der Berufsschule noch keine Werkstätten und die praktische Ausbildung wurde allein in den Betrieben absolviert. Die Berufsschule vermittelte lediglich theoretisches Wissen und Allgemeinbildung. Neben dem Schreinerhandwerk wurden nach dem Krieg auch noch Bäcker- und Landwirtschaftslehrlinge an der Weilburger Berufsschule unterrichtet und die Mädchen absolvierten dort die Handelsschule. Die Klassen bestanden meist aus mehr als dreißig Schülern, aber Disziplinprobleme und Unterrichtsstörungen gab es nicht, dafür hatten die Jugendlichen viel zu viel Respekt vor den Lehrern, berichteten die beiden Zeitzeugen.

Heribert Wagner, der noch zum Kriegsdienst eingezogen wurde und daher ein paar Jahre älter als sein Mitschüler war als er die Schreinerlehre begann, konnte sogar seinen alten Gesellenbrief aus dem Jahr 1949 vorweisen, in dem ihm sowohl in Theorie und Praxis „ziemlich gute“ Leistungen bescheinigt wurden.

Wilhelm Knapp, der vor seiner pädagogischen Ausbildung als Schlosser sowie auch im Schreinerhandwerk seinen Meisterbrief erworben hatte und die Schule seit 1921 leitete, war sowohl als Schreiner als auch als Lehrer sehr gut, „bei dem konnte man was man was lernen und er konnte gut erklären“, meinten die beiden ehemaligen Schulabsolventen übereinstimmend. Der Schulleiter habe auch ein Lehrbuch für Schreinerlehrlinge verfasst, aus dem sie damals gelernt hätten, wusste Wille Wagner zu berichten. Einmal pro Woche seien sie in die Berufsschule gegangen. Der Unterricht dauerte rund sechs Stunden. Dabei gab es eine kurze Frühstückspause, ansonsten wurde durchgearbeitet. Einen Luxus konnten die Auszubildenden in der Schule genießen, denn diese war in den Wintermonaten beheizt, was in dieser Zeit nicht selbstverständlich war.

Der aus Probbach stammende Heribert Wagner musste mit dem Bus in die Berufsschule nach Weilburg fahren. Seinen Lehrbetrieb hatte der heute fast 95-Jährige in Mengerskirchen und fuhr dorthin morgens mit dem Fahrrad. Festes Lehrgeld erhielt er nicht, sondern der Auszubildende wurde bei seinem Arbeitgeber verköstigt und bekam gelegentlich kleinere Beträge oder sonstige Gaben. Zu seinen Aufgaben zählte jedoch nicht nur die handwerkliche Ausbildung zum Schreiner, sondern er musste der Familie seines Lehrherrn auch bei der Feldarbeit helfen, denn viele Menschen betrieben damals neben ihrer beruflichen Tätigkeit noch Landwirtschaft. Später habe er dann am Bau als Zimmermann gearbeitet, wobei ihm dabei seine Schreinerausbildung sehr zugute gekommen sei, berichtete Heribert Wagner.

Willi Wagner lebte in seiner Jugend in Langhecke. Von dort lief er nach Aumenau zum Bahnhof und dann ging es mit dem Zug weiter nach Weilburg. Einmal hätten er und einige Mitschüler schon auf dem Weg zur Schule im Zug Alkohol getrunken, seien anschließend singend durch Weilburg gezogen und betrunken in die Schule gekommen. Willi Wagner konnte nicht mehr genau sagen, welcher Lehrer sie damals in Empfang genommen hatte, aber er wusste noch, dass die Eltern benachrichtigt wurden und es zu Hause eine Ohrfeige gab. Er habe im ersten Lehrjahr 25,- Reichsmark und im zweiten Lehrjahr 35,- Reichsmark als Ausbildungsvergütung erhalten, und im dritten Jahr seien es dann nach der Währungsreform 45,- D-Mark gewesen.

Wenn die Schüler nicht so viel Lust auf Unterricht hatten, gab es eine gute Möglichkeit Wilhelm Knapp abzulenken. Man musste nur das Thema Bienen ansprechen und schon war der Hobbyimker in seinem Element und erzählte von den fleißigen Honigproduzenten, anstatt Fachkenntnisse der Schreinerei zu vermitteln, berichteten die beiden ehemaligen Schüler schmunzelnd. Und noch eine Anekdote hatte Willi Wagner über Wilhelm Knapp zu berichten: „Manchmal hatte er seine Brille auf den Kopf geschoben und suchte sie dann überall, aber wir sagten ihm nicht, wo sie war, und hatten unseren Spaß dabei.“

Willi Wagner, der nach seiner Schreinerausbildung ebenfalls im Bauhandwerk Arbeit gefunden hatte, kehrte später noch einmal an seine Ausbildungsschule zurück und war elf Jahre lang Hausmeister an der Wilhelm-Knapp-Schule, bis er 1997 im Alter von 65 Jahren in Rente ging. Auch aus dieser Zeit konnte der rüstige Rentner noch einige interessante Erlebnisse berichten.

Dr. Helmut Löhn kennt Will Wagner noch aus dessen Zeit als Hausmeister an der WKS und stand mit dem Rentner weiter in Kontakt. Heribert Wagner lernte Helmut Löhn dann beim gemeinsamen Boulespielen in Probbach kennen und erfuhr dort, dass dieser ebenfalls von Wilhelm Knapp unterrichtet wurde. Groß war die Überraschung jedoch als er feststellte, dass die beiden Senioren sogar Klassenkameraden waren und sich aus ihrer gemeinsamen Berufsschulzeit kannten. Da reifte bei Dr. Helmut Löhn der Gedanke, die beiden Rentner wieder in der Schule zusammenzubringen und sie über ihre gemeinsame Zeit mit Wilhelm Knapp berichten zu lassen. Und so wurde das gemeinsame Treffen vereinbart, an dem dann auch der stellvertretende Schulleiter Stefan Jeanneaux-Schlapp teilnahm, um aus erster Hand Informationen über den Namensgeber der WKS zu erhalten.

Wilhelm Knapp war rau, aber herzlich und ein sehr guter Pädagoge, so das Fazit der beiden ehemaligen Schüler, und er hat letztendlich auch keinem seiner Zöglinge den „Mastdarm herausgerissen“!

Zur Person Wilhelm Knapp

Wilhelm Knapp wurde am 21. August 1884 in Weyer im Oberlahnkreis als Sohn einer alten Bauern- und Handwerkerfamilie geboren. Nach dem Besuch der Volksschule erhielt er im Präparadenseminar Neuwied und dem Lehrerseminar Usingen seine pädagogische Ausbildung und war danach zwölf Jahre als Volksschullehrer in Aumenau tätig. Während dieser Zeit wurde er mit den Ideen des Begründers der Arbeitsschule Georg Kerschensteiner bekannt. Als fortschrittlichem Pädagogen reifte in Wilhelm-Knapp der Gedanke, seine Kraft in den Dienst der beruflichen Bildung der schulentlassenen Jugend zu stellen. Von Jugend an mit manuellen Tätigkeiten vertraut, fiel es ihm nicht schwer, in zwei Berufen, dem Schlosser- und dem Schreinerhandwerk, die Meisterprüfungen abzulegen. Im Anschluss daran absolvierte er ein Studium am Berufspädagogischen Institut in Berlin zum Gewerbelehrer. Seine erste Anstellung erhielt Wilhelm Knapp an der städtischen Berufsschule in Wetzlar. 1921 wurde er auf Empfehlung des Gewerbevereins für das Herzogtum Nassau vom Magistrat der Stadt Weilburg zum Leiter der städtischen Berufsschule berufen. In dieser Funktion fungierte er auch als Aufsichtsperson für die ländlichen Fortbildungsschulen.

Nach der Umwandlung der städtischen Berufsschule zur Kreisberufsschule des Oberlahnkreises und seiner Ernennung zu deren Direktor baute der Schulleiter eine vorbildlich und zentral organisierte Berufsschule für alle Berufszweige auf.

Nach 1945 arbeitete Wilhelm Knapp im Kultusministerium an der Entwicklung der Pläne für die Neuordnung des beruflichen Bildungswesens in Hessen mit. Als Demokrat und politisch bewusster Bürger engagierte sich Wilhelm Knapp zudem in der Kommunalpolitik. Schon vor 1933 war er Stadtverordneter in Weilburg und gehörte nach 1945 dem Kreistag des Oberlahnkreises an.

Nach dreißigjähriger Tätigkeit in Weilburg trat Wilhelm Knapp 1951 den verdienten Ruhestand an. Er erlebte noch 1954 die Einweihung des ersten Bauabschnitts der Kreisberufsschule, die heute seinen Namen trägt, an der Frankfurter Straße mit, sowie 1959, dem Jahr seines 75. Geburtstags, die Einweihung des zweiten Bauabschnitts. Am 24. November 1966 schied Wilhelm Knapp hochbetagt aus einem erfüllten Leben.

 

Textquelle: „Wilhelm Knapp (1884 – 1966) stellte sein Leben in den Dienst der beruflichen Bildung der Jugend“ (Informationen zu Wilhelm Knapp auf einer Urkunde vor dem Sekretariat der Wilhelm-Knapp-Schule Weilburg)

Aus der Geschichte der Wilhelm-Knapp-Schule:

Die Wilhelm-Knapp-Schule ist eine Schule in Weilburg. Namensgeber ist Wilhelm Knapp, der 1921 als Schulleiter eingestellt wurde. Ursprünglich als Abendschule eröffnet, entwickelte sich die Wilhelm-Knapp-Schule weiter und besteht in ihrer heutigen Form seit den 1950er Jahren. Die Schülerzahl hat sich seit den 1990er Jahren fast verdoppelt. Die Einführung der Fachschule für Wirtschaft hat einen Wandel der ehemals rein beruflichen Schule bewirkt, was sich besonders in den Schülerzahlen widerspiegelt. […]

Am 26. April 1846 kündigte der Gewerbeverein für das Herzogtum Nassau für gewerbliche Zwecke die Gründung einer Sonntags- und Abendschule sowie die Errichtung eines Lesekabinetts an. Zunächst erteilten Elementarlehrer den Unterricht, Vorträge und Versammlungen rundeten diesen ab. 1866 wurde die Unterrichtspalette erweitert und es gab nun folgende neue Fächer: Zeichnen, Rechnen und Buchführung, Geometrie, Deutsch und Schönschreiben sowie hauswirtschaftlichen Unterricht für Mädchen. 1917 wurden die ersten hauptamtlichen Lehrkräfte eingestellt, doch der Unterricht konnte nicht mehr in den bis dato genutzten Räumlichkeiten der Volksschule abgehalten werden und wurde in Notunterkünfte verlegt.

1921 wurde Wilhelm Knapp, nach seinem Studium zum Gewerbelehrer am Berufspädagogischen Institut Berlin, als Schulleiter eingestellt; er gab der Schule später ihren heutigen Namen. 1922 ging die Schulträgerschaft auf den Oberlahnkreis über, welcher in einer Satzung die Berufsschulpflicht verankerte. In den Jahren 1933–1945 wurde die Unterrichtspalette durch das Fach Staatsbürgerliche Erziehung erweitert. Die meisten männlichen Lehrer wurden in den Kriegsdienst eingezogen, so dass der Unterricht zu dieser Zeit von den weiblichen Lehrkräften erteilt wurde.

Von 1944 bis 1945 wurden die Schulräume hauptsächlich vom nationalsozialistischen Regime genutzt, später dann als Volksküche. Offiziell begann der Schulunterricht wieder 1947 mit einem überdimensionalen Anstieg der Neuanmeldungen durch die hohe Anzahl der Kriegsheimkehrer. Der großen Nachfrage wegen wurde eine zweijährige Handelsschule eröffnet und Wilhelm Knapp nahm Planungen für einen Neubau der Schule wieder auf. 1951 wurde Ferdinand Breithecker neuer Rektor.

1952 tätigte man den ersten Spatenstich auf dem heutigen Schulgelände in der Frankfurter Straße in Weilburg für den ersten Bauabschnitt, aus dem sich die Räumlichkeiten für die Wirtschaftsschule ergeben haben. Fünf Jahre später folgte der zweite Bauabschnitt, der dann auch die benötigten Räume für die gewerblichen Schulen abdeckte. Willibald Nowak löste im Jahre 1967 seinen Vorgänger als Schulleiter ab; seit dieser Zeit trägt die Schule offiziell den Namen „Wilhelm-Knapp-Schule“ (WKS). 1970 kamen moderne Werkstätten hinzu und vier Jahre später ein weiterer Bau, in dem unter anderem naturwissenschaftliche Räumlichkeiten ihren Platz fanden. Diese Baumaßnahmen betreute der Nachfolger Nowaks und damalige Rektor der Schule, Lothar Nahm, welcher 1975 den letzten Neubau einweihte.

[Von 1990 bis Januar 2011 leitete Ottmar Seibold das Bildungszentrum, in dem es zu weiteren Umbau- und Erneuerungsmaßnahmen kam. Inzwischen befindet sich die Schule auf dem Weg zu einem digitalen Kompetenzzentrum und auch die Werkstätten werden derzeit modernisiert. Seit April 2011 ist Oberstudiendirektorin Dr. Ulla Carina Reitz Schulleiterin der Wilhelm-Knapp-Schule Weilburg. (Ergänzung zum Wikipedia-Eintrag)]

 

Textquelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm-Knapp-Schule)

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