Geschichte

Die Geschichte der Wilhelm-Knapp-Schule – wir Blicken zurück

1846 – 1945: Anfänge

Übersicht: Der Gewerbeverein Weilburg gründet eine Sonntagsschule; es entsteht die gewerbliche und Mädchen-Fortbildungsschule; die Berufsschulpflicht wird eingeführt; die “Ära Knapp” beginnt; eine kaufmännische Schule wird eingerichtet; das “Dritte Reich” hinterläßt seine Spuren; das Problem der Splitterberufe ist bereits bekannt; während des 2. Weltkrieges wird der Unterricht nur notdürftig erteilt.

1846

Am 26. April 1846 treten Gewerbetreibende und Freunde des Gewerbewesens in Weilburg dem Gewerbeverein für das Herzogtum Nassau bei. In einem „Prospekt“ kündigt dieser Zweigverein die Gründung einer Sonntags- und Abendschule und die Errichtung eines „Lesecabinetts“ für gewerbliche Zwecke an. Unterrichtsfächer sind geschäftliche Aufsätze, Arithmetik und Geometrie, sowie Hand- und Planzeichnen. Der Unterricht wird durch Elementarlehrer (erwähnt wird der Lehrer Roth) erteilt.

Auch die Erwachsenenbildung soll gefordert werden: in Versammlungen des Vereins werden gewerbliche Zeitfragen zur Sprache gebracht, außerdem werden populäre Vorträge, z. B. über Chemie mit Experimenten gehalten.

1866/67

Auch nach der Annektierung des Herzogtums Nassau durch Preußen und die Übernahme der Verwaltung in diesen Jahren führt der Gewerbeverein seine Arbeit in der offensichtlich bewährten Weise fort. Die Unterrichtspalette wird erweitert und zeigt bereits Ansätze einer Aufteilung in die klassischen gewerblichen, hauswirtschaftlichen und kaufmännischen Bereiche. Es gibt eine Sonntags- und Wochenzeichenschule, eine Gewerbeabendschule mit den Fächern Rechnen und Buchführung, geo metrische Flächen- und Körperberechnung, dazu Deutsch und Schönschreiben.

Ab September 1866 kommt hinzu der Unterricht für Mädchen im Sticken, Nähen und in der Weißzeugarbeit, den die Witwe des Schuhmachermeisters Bauer erteilt. Es scheint, daß dieses Angebot großen Zuspruch hat, verspricht es doch eine der wenigen gehobenen beruflichen Qualifizierungen für Mädchen. Aus dieser „Mädchen-Fortbildungsschule“ geht wohl der bis nach dem 2. Weltkrieg bekannte Stand der Handarbeitslehrerinnen hervor.

Fortbildungsschulen gibt es auch in den ländlichen Gebieten des Oberlahnkreises, der in die Schulbezirke Löhnberg, Merenberg, Runkel, Villmar, Aumenau, Weyer, Münster, Wolfenhausen, Weilmünster, Schupbach, Obertiefenbach, Mengerskirchen, Weinbach und Philippstein eingeteilt ist. Die Unterrichtsfächer sind dort im wesentlichen handwerklich-
technisches Zeichnen und Dezimalrechnen mit Anwendungen für den ausgeübten Beruf. Als Lehrer werden die örtlichen Berufsschullehrer und für das technische Zeichnen befähigte Handwerksmeister eingesetzt.

1917

Wird der Unterricht bis dahin nebenberuflich erteilt, so werden vom Gewerbeverein auch schon hauptamtliche Lehrkräfte eingestellt. Als erste erhält Frau Gertrud Schwenzfeier (verh. Utescher) einen Anstellungsvertrag mit Ruhestandsberechtigung.

Der Unterricht kann in Weilburg nicht mehr in den Volksschulen, sondern nur noch in sog. Notunterrichtsräumen gehalten werden, so z. B. in der Pfarrgasse im jetzigen Haus Deißmann. Weitere Lehrkräfte in dieser Zeit sind die Gewerbelehrerinnen Baurhenn, die Meisterinnen Bandau, Plock und Spies.

1921

Es beginnt die „Ära Knapp“. In diesem Jahr wird der Gewerbelehrer Wilhelm Knapp, von der Wetzlarer Berufsschule kommend, hauptamtlich angestellt, nicht mehr vom Gewerbeverein, sondern von Stadt und Kreis. Er wird Leiter der zuvor durch Beschlüsse der Weilburger Stadtverordneten-
versammlung und des Kreisausschusses gegründeten gewerblichen und Mädchen-Fortbildungsschule. Außerdem wird ihm die Aufsicht über die ländlichen Bezirke der Fortbildungsschulen übertragen.

Der Unterricht findet an verschiedenen Orten statt: im Alten Rathaus, in der Hainkaserne (Alte Kaserne) und im Heimatmuseum (jetziges Bergbaumuseum!). Dem Schulleiter stehen als Lehrkräfte der Volksschullehrer Schönwetter, die Unteroffizierlehrer Dollina und Kurzrock, der Schneidermeister Schäfer und die Lehrerinnen Schwenzfeier, Baurhenn, Lappe, Geis und Megges zur Verfügung.

1922

Der Kreis erläßt eine Satzung für den Besuch gewerblicher Schulen und verankert in dieser die Berufsschulpflicht. Der bis dahin bestehende Gewerbeverein löst sich auf. Die Schulträgerschaft geht auf den Kreis über. In der Hainkaserne wird durch Peter Dietz eine private kaufmännische Schule eröffnet, in der in Tages- und Abendlehrgängen Buchführung,

1946 – 1958: Neuaufbau

Übersicht: Neubeginn unter schwierigen Bedingungen; wachsende Schülerzahlen; Wilhelm Knapp; Spatenstich an der Frankfurter Straße; über 2000 Schüler; Beginn der “Ära Breithecker”.

1946-1950

Nach dem vollständigen Darniederliegen der Berufsschule von Dezember 1944 bis Januar 1946 vollzog sich der Neubeginn unter äußerst schwierigen Bedingungen. Ein Zeitzeuge, der Kollege Erich Höhler, beschreibt diese Zeit folgendermaßen:

„Durch die Rückkehr vieler Kriegsteilnehmer, die ihre Berufsausbildung noch gar nicht begonnen oder die Lehre hatten abbrechen müssen, um im Kriegseinsatz Dienst zu leisten, durch die kinderreichen Volksschulabgängerklassen und das Streben nach einer Handwerkerlehre als Existenzsicherung nahmen die Anmeldungen zur Berufsschule eine neu dagewesene Dimension an. So gab es z.B. annähernd 100 Schuhmacherlehrlinge.

Unter großen Schwierigkeiten wurde in den notdürftig reparierten Räumen der Alten Kaserne nach und nach der provisorische Unterricht aufgenommen. Es mangelte an Unterrichtsräumen, Mobiliar, Lehrkräften, Schreib- und Zeichenmaterial, Lehr- und Anschauungsstücken, Lehrplanen und natürlich an finanziellen Mitteln. Alles mußte behelfsmäßig gebraucht oder neu beschafft werden. Improvisieren war die damalige Lösung. Da es fast kein Schreibpapier gab, wurden Bücher aus den USA, die zur Umerziehung des deutschen Volkes gedacht und wegen der schlechten Papierqualität nur einseitig bedruckt waren, auseinandergerissen und die Rückseiten als Schreibpapier verwendet. Dies nur als Beispiel“.

Notwendigerweise wurde das Kollegium erweitert. Ins Kollegium traten Angela Schmitt, Lore Neinhardt, Liesl Rippl, Gertrud Heider, Käthe John, W. Siegfried, Erich Höhler, Heinz Bernhardt, Wilfried Klick, Albert Luther und Karl Winkler ein. Aus der Kriegsgefangenschaft kehrten Hermann Schulz und Ferdinand Breithecker an die Schule zurück.

Ihr wurden im Zuge des Neuaufbaus in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftsschule in der Frankfurter Straße zusätzlich ein Seminar zur Weiterbildung landwirtschaftlicher Lehrer angegliedert. Dort unterrichteten die Landwirtschaftsräte Dr. Klee, Dr. Manskopf und Dr. Pohlenz, ferner die Gewerbelehrer Jost, Höhler und Klick.

Der großen Nachfrage wegen wurde eine zweijährige kaufmännische Handelsschule eröffnet. Dafür  brauchte man wieder Lehrer. Namen aus dieser Zeit, den meisten noch wohlbekannt: Paul Söhngen als Leiter, dazu die Kolleginnen Martha Kappstein, Käthe Grauer und Lieselotte Schwarz, ferner der Philologe Dr. Rudolf Mainzer, der später ans Gymnasium wechselte.

Von heute leider nur noch historischem Interesse ist es, auf die landwirtschaftliche Berufsschule einzugehen, die Schulform die für fast zwei Jahrzehnte zahlenmäßig der größte Teil der Berufsschule im Oberlahnkreis war. Was über die schwierige Situation in den Nachkriegsjahren gesagt wurde, traf hier besonders zu. Die meisten Volksschulentlassenen in dieser Zeit wurden Landwirtschaftsschüler. Sie erhielten drei Jahre lang wöchentlich Nachmittagsunterricht in Volksschulen. Die Lehrkräfte hatten nicht nur den Unterricht in den allgemeinbildenden, land- und hauswirtschaftlichen Fächern zu organisieren und zu gestalten, sie mußten oft auch weite Wegstrecken zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Bus zurücklegen, um zu den Schulorten zu gelangen.

Die Berufsschullehrerinnen und -lehrer haben hier Schwerstarbeit geleistet: die Kolleginnen Rippl, Heider, John und der Kollege Klick an den verschiedenen Außenstellen: Weilmünster, Winkels, Schupbach, Runkel und auch an der Kreisberufsschule. Mit dem zeitbedingten Rückgang dieses Schulzweiges – die letzte Klasse in Weilburg lief im Schuljahr 1967/68 aus – wurden die Lehrkräfte in anderen Abteilungen und Fächern eingesetzt, überwiegend in der ernährungswirtschaftlichen Abteilung.

1951 – 1958

Der Aufschwung der Berufsschule bedingte vor allem eines: einen Schulneubau für die ständig wachsende Schülerzahl. Planungen hatte es schon im Jahre 1934 gegeben; ihr Verwirklichung war den Zeitläufen zum Opfer gefallen. Sie wurden wieder aufgenommen, dafür sorgte der rastlos tätige Schulleiter Wilhelm Knapp, und in Zusammenarbeit mit Kreis und Staatsbauamt durchgeführt. Überlegungen, die Alte Kaserne auszubauen, wurden schnell fallen gelassen. 1952 erfolgte der „motorisierte“ 1. Spatenstich auf dem heutigen Schulgelände an der Frankfurter Straße.

Vorgesehen war ein Neubau in zunächst 3 Abschnitten, deren erster, der heutige A-Bau, direkt an der Frankfurter Straße gelegen, den Anfang bildete. Dazu ein Ausschnitt aus einem Artikel des Weilburger Tageblattes anläßlich dieses Ereignisses:

„Für den Oberlahnkreis bedeutet die Errichtung der Kreisberufsschule eine sehr starke finanzielle Belastung, die alle seine Reserven über Jahre hinaus beansprucht. Wenn er dieses große Bauvorhaben beschloß, dann vor allem deshalb, weil Kreistag und Kreisausschuß von der grundlegenden Bedeutung einer guten Ausbildung des jugendlichen Nachwuchses in Handwerk und Gewerbe überzeugt sind.“

Und dann ein Hinweis auf ein altes, aber immer aktuelles Problem:

„Der industriearme Oberlahnkreis kann diesen Nachwuchs selbst kaum aufnehmen, man will ihm daher die Chance geben, aufgrund einer intensiven, allen modernen Gesichtspunkten Rechnung tragenden Schulung und Ausbildung in der Industrie der Nachbarkreise bevorzugte Stellen einnehmen zu können“.

Wilhelm Knapp hat die Einweihung der neuen Schule nur noch als Pensionär erlebt. Ferdinand Breithecker, seit 1951 Schulleiter, war es vergönnt, die Schule aus ihrem Notdomizil in der Alten Kaserne in den Neubau an der Frankfurter Straße zu führen. In einer Sitzung der Berufsschulkommission gibt er zuvor einen Zustandsbericht, der die bisherige räumliche Misere voll erkennen läßt.

„Die zur Zeit noch in der Alten Kaserne untergebrachte Kreisberufsschule zählt über 2000 Schüler, die in zehn Räumen von zusammen 24 Lehrern unterrichtet werden. Der gewerbliche Zweig umfaßt in 25 Klassen 814 Schüler, in der Abteilung Hauswirtschaft gibt es 5 Klassen mit 172 Schülern, auf dem kaufmännischen Sektor werden in 8 Klassen 227 Schüler unterrichtet und schließlich in der landwirtschaftlichen Abteilung 620 Schüler in 25 Klassen. Außerdem zählen 4 Fachklassen der bergmännischen Berufsschule zusammen 216 Schüler, so daß im ganzen 2049 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden.“

Die Raumnot, die bis dahin noch den schwierigen und unrentablen Nachmittagsunterricht erzwang, sollte durch den Neubau behoben werden. Dieser sollte, wenn die beiden ersten Bauabschnitt fertiggestellt waren, 16 Klassenräume in der Größe von je 6,50 x 9,75 m (also rd. 64 qm) umfassen und mit je einem Lehrmittelraum ausgestattet sein. Zwei Küchen mit Eßraum, Waschküche, Trocken- und Bügelräume, ein Schreibmaschinensaal und Werkstätten für die verschiedenen Berufe sollten die Grundlage für eine erfolgreiche und ersprießliche Arbeit in der Schule schaffen.

1953 war Richtfest für den 1. Bauabschnitt. Bei diesem hielt der Staatsminister a.D. Albert Wagner eine bemerkenswerte Rede. Er sei der Meinung, daß sich das in diese Schule investierte Geld reichlich durch sittlich-ethische Werte verzinsen werden, die durch diese vermittelt werde. Jede Schule sei ein ökonomisch-wirtschaftliches Unternehmen, für das man nicht genug tun könne. Die Einweihung im Jahr 1954 wurde groß gefeiert. Die Gratulationscour verzeichnete die Namen der Prominenz dieser Zeit: Staatsminister a.D. Albert Wagner, Landrat Schneider, Bürgermeister Lehmann, Oberbaurat Maiwald, Syndikus Dr. Herborn von der IHK Limburg, Oberschulrat Hennig (der spätere Kultusminister), Handwerksobermeister Fetz, die Pfarrer Dr. Freiburg und Dietz. Sie fand in der Eingangshalle statt, die als künstlerischen Schmuck die heute kaum noch beachteten Sgrafitto-Wandbilder des Kunstmalers Müller-Erbach zeigt. Der 1. Bauabschnitt, das sogenannte Hauptgebäude, war an sich nur für die Berufsausbildung der Mädchen und die kaufmännische Abteilung gedacht. Diese beiden Abteilungen waren damit über Jahre zufriedenstellend versorgt. Nicht so die gewerbliche Abteilung mit ihrer Vielzahl von Berufsfeldern: den Maschinenschlossern, Betriebsschlossern, Schmieden, Drehern, Fräsern, Spenglern, Installateuren, Elektrikern, Kfz.-Mechanikern, Tankwarten, Maurern, Schreinern, Zimmerleuten, Anstreichern, Friseuren usw., nicht zuletzt den Bergknappenlehrlingen und den Landwirten.

Für diese mußte der 2. Bauabschnitt so schnell wie möglich folgen. Am 12.12.1956 feierte man Richtfest im „Lord“, am 18.04.1958 die Einweihung, bei der Oberschulrat Prof. Dr. Monsheimer, die Festrede hielt. Dieser 2. Bauabschnitt, der sog. B- Bau, war ein kleineres Gebäude mit etwa einem Drittel des Bauvolumens des Hauptgebäudes, das mit diesem durch einen zugleich als Pausenhalle dienenden Gang verbunden war. Es enthielt 6 Lehrsäle mit angrenzenden Demonstrationsräumen, dazu im Untergeschoß zwei Werkstätten, die auch als Lehrsäle benutzt werden konnten. In Abänderung des ursprünglichen Planes, wurde der B-Bau noch um eine Aule entlang der Pausenhalle und um ein 2. Lehrerzimmer speziell für die gewerbliche Abteilung erweitert. Nach der glücklichen Vollendung dieser beiden Bauabschnitte, denen ja noch zwei folgen sollten, schienen der gute Wille und vor allem die finanziellen Möglichkeiten im Oberlahnkreis erschöpft. War der 1. Bauabschnitt im Jahre 1954 noch mit 750.000,- DM abgerechnet worden, so kostete der 2. Abschnitt im Jahre 1958 schon 700.000,- DM ohne Ausstattung gegenüber den ursprünglich veranschlagten 300.000,- DM.

So kam es, daß der Bau der Werkstätten, ohne die eine moderne Berufsschule kaum vorstellbar ist, bei der Einweihung des B-Baus nur für fernere Zeiten in Aussicht gestellt wurde. Es sollte noch rund 12 Jahre dauern, bis am 26.10.1970 auch dieser 3. Bauabschnitt, der sogenannte C-Bau, seiner Bestimmung übergeben wurde.

Text: Steffen Watz

1958 – 1967: Ausbau, Bewährung und Festigung (1)

Übersicht: Entstehung der “Aufbauschule”; Pläne für einen weiteren Ausbau; der Name Wilhelm-Knapp-Schule entsteht.

1958-1967: Die Ära Breithecker

In den bisherigen Ausgaben des WKS-Forums haben wir die Entwicklung der Berufsschule im Kreis Weilburg von ihren Anfängen im Fürstentum Nassau in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts geschildert – über 110 Jahre wechselvolle Geschichte im Spiegel der politischen Systeme.

Mit der Vollendung der ersten beiden Schulbauten (1954/58) scheint die Entwicklung zu einem gewissen Abschluss gekommen zu sein. Die Zeit des Herumvagabundierens ist endlich vorbei, die Schule hat ihre Heimat und damit die Möglichkeiten, sich in den vorhandenen Schulformen zu finden und zu festigen. Sie gleitet jetzt in ruhigem Fahrwasser. Nach dem Schulleiter dieser Jahre nennen wir diese Zeit die Ära Breithecker.

Welche Wege bietet die Weilburger Berufsschule? So fragt im Weilburger Tageblatt vom 15. November 1965 der Kollege Gottfried Schubert und gibt mit seiner Antwort gleichzeitig eine Bestandsaufnahme der berufsschulspezifischen Möglichkeiten.

Die klassische Berufsschule verzeichnet die meisten Schüler und beschäftigt auch die meisten Lehrer. Sie ist üblicherweise in die  gewerblichen, hauswirtschaftlichen und kaufmännischen Abteilungen gegliedert. Die landwirtschaftliche Abteilung ist noch rudimentär vorhanden und steht vor ihrem endgültigen Auslaufen, desgleichen die Abteilung Bergbau mit einer kleinen Gruppe von Bergknappen. Die Haushaltungsschule, später haus- und ernährungswirtschaftliche Berufsfachschule, bietet begabten Mädchen mit Volksschulabschluss die Möglichkeit zu gehobenen Frauenberufen zu kommen ,- Kindergärtnerin, Krankenschwester, Hebamme -, aber auch die Gelegenheit zum Besuch der Frauenfachschule und zum Eintritt in Lehrberufe wie Arzthelferin, Apothekenhelferin und Laborantin. Diese Schulform hat an der Berufsschule eine lange Tradition; ihre Bedeutung im emanzipatorischen Prozess dieser Jahre ist nicht zu unterschätzen.

Die Handelsschule, später kaufmännische Berufsfachschule, existiert seit dem Schuljahr 1949/50. Ihr Besuch ist bereits nach acht Volksschuljahren möglich. Wer sie nach zwei Jahren mit bestandener Prüfung verlässt, hat gute Chancen, eine Lehrstelle als Bankkaufmann, Bürokaufmann, Industrie-
kaufmann oder Großhandelskaufmann zu erhalten. Auch der Weg in den gehobenen Beamtendienst steht offen, ebenso der Übergang an ein berufliches Gymnasium. Die Handelsschule schöpft gewissermaßen die Bildungsreserve der Volksschule aus. Bemerkenswert ist, dass auch an dieser Schulform der Anteil der weiblichen Schüler weit überwiegt, womit sich auch hier ein emanzipatorischer Nachholeffekt zeigt.

Die Aufbauschule, kurz Aufbauzug genannt, besteht seit Herbst 1964. Wer einen „nicht konstruierenden Beruf“ erlernt hat, kann hier im Vollzeitunterricht in einem Jahr bzw. zwei Semestern die Fachschulreife erwerben mit einer Prüfung, die im wesentlichen dem Realschulabschluß entspricht. Dazu kommt ein Fachbereich aus dem Gebiet des erlernten Berufes. Das Abschlusszeugnis berechtigt zum Besuch weiterführender Fachschulen und des Hessenkollegs, einer Einrichtung, die ihrerseits zum Abitur und damit zum Studium an einer Universität oder einer Technischen Hochschule führt.

Diese Schule hat ein sehr weites Einzugsgebiet; auch die benachbarten Bundesländer gehören dazu. Auffällig ist der große Anteil von Landwirten, die in andere Berufe streben. Die Schüler wohnen wie früher die Pädagogigstudenten zur Miete in Weilburg und Umgebung. Zeitweise wird  sogar ein Wohnhaus am Webersberg angemietet, in dem der Kollege Schubert gewissermaßen als Hausvater nach dem Rechten schaut.

Diese Schulformen gibt es auch heute noch an der Wilhelm-Knapp-Schule; allerdings hat die Akzeptanz in der Öffentlichkeit stark abgenommen.

In der Zwischenzeit geht die Entwicklung auf einem ureigenen Gebiet der Berufsschule weiter, dem der gewerblichen Berufsschule. Hier ist die Situation im Gegensatz zu der bei den hauswirtschaftlichen und kaufmännischen Abteilungen äußerst unbefriedigend. Es gibt so gut wie keine Demon-
strationsräume mit den entsprechenden Einrichtungen, es gibt keine Werkstätten. Vor allen Dingen fehlt ein wichtiger Baustein im Fachschulbereich, die gewerbliche Berufsfach-
schule, die dies alles benötigt. Die Schule meldet sich deswegen lebhaft zu Wort und auch die Kreispolitiker Oberlahn fordern einen Ausbau der gewerblichen Berufsschule.

Ab 1966 setzt eine rege planerische Tätigkeit ein. Architekt Kämpf, einer der Schulbauer Hessens, legt ein Modell vor, das eine sogenannte endgültige Konzeption für die Kreisberufsschule vorsieht. Unter Einbeziehung der bestehenden Gebäude (A- und B-Bau) soll mit einem mehrstöckigen Gebäude an der Nordostseite für die Verwaltung, aber auch für weitere Klassen- und Fachräume, mit einem Werkstattgebäude, ein regelrechtes Berufsschulzentrum entstehen.

Den knappen finanziellen Möglichkeiten des Oberlahnkreises entsprechend wird dann der Werkstattbau als eines der drei Projekte, die er sich leisten kann, – die beiden anderen sind der Neubau des Kreiskrankenhauses und das Hallenschwimmbad -, vorgezogen.

Er steht auch zunächst nur als eine der Alternativen zur Diskussion. Eine weitere ist, die Werkstätten in dem zu überdachenden Bauhof hinter dem B-Bau unterzubringen, die sog. Minimallösung. Und die dritte ist die Kooperation mit dem Nachbarkreis Limburg. Unter Kooperation versteht man wie noch so oft später die Zusammenlegung  bzw. Verlagerung von Fachklassen an einen der beiden Schulorte Weilburg oder Limburg und zwar den mit den besseren Ausbildungs-
bedingungen. Ein Ausschuss mit den vier Berufsschuldirektoren Frau Peter, Breithecker, Schwank und Sommer sowie dem Oberstudienrat Leistner, dem stellvertretenden Schulleiter der Kreisberufsschule Weilburg, soll Vorschläge unterbreiten. Für Weilburg ist nichts Gutes zu erwarten, haben doch die wegen ihres größeren Einzugsgebietes begünstigten, nach Berufsfeldern bereits spezialisierten und zudem reicheren Limburger Schulen hier einen Vorsprung, den eine aktive Limburger Kreispolitik konsequent ausnutzt.

In diese unruhige Zeit hinein vollzieht sich ein wichtiger personaler Wechsel. Ferdinand Breithecker wird nach 35 Dienstjahren pensioniert. Seine Tätigkeit an der Kreisberufsschule, durch Krieg und Gefangenschaft unterbrochen endet am 14. Juli 1967. Sie hat ihn, den Wegbegleiter Wilhelm Knapps, den dornigen Weg vom Wanderlehrer bis zum Schulleiter gehen lassen. Er hat mit seinen Zeitkollegen Aufbaugeschichte geschrieben. Leider sind ihm nur wenige Jahre des verdienten Ruhestandes gegönnt gewesen. Gesundheitlich durch die Strapazen der Gefangenschaft angeschlagen stirbt er am 15. Januar 1972.

Recht bald nach dem Ausscheiden Ferdinand Breitheckers verzeichnet das Weilburger Tagblatt die Schlagzeile „Neuer Leiter und neuer Name für die Berufsschule“. Der neue Leiter ist Willibald Nowak aus Frankfurt am Main, der neue Schulname ist WILHELM-KNAPP-SCHULE, womit der legendäre  Schulmann, der im Jahr zuvor, am 24. November 1966, verstorben war, eine posthume Ehrung erfährt.

Zur Ära Breithecker sei noch ein personaler Anhang nachgetragen . Wer sind die Lehrerinnen und Lehrer, wer die schulischen Hilfskräfte in dieser Zeit?

Aus der gewerblichen Abteilung sind dies neben dem Schulleiter Breithecker die Kollegen Bernhardt, Winkler, Luther, Schulz, Bäppler, Höhler, Schubert, Joost, Witte, Schmidt, Klick. In der Hauswirtschaft arbeiten die Kolleginnen Niemeyer, John, Letschert, Schmitt, Heider, Kurz, Weber, Neinhardt, Hiller, Rippl und der Kollege Benstein. Die kaufmännische Abteilung ist  noch die kleinste und beschäftigt die Kolleginnen Kappstein, Grauer und Schwarz und die Kollegen Söhngen, Burth, Leistner, Thielmann und Weber.  Im Aufbauzug und in den Berufsfachschulen unterrichten eine Reihe von Kollegen aus den allgemeinbildenden Schulen die Fächer Deutsch und Englisch, so beispielsweise die Herren Zimmermann, Heimann, Schloss und Schulz. Die Sekretärinnen sind in diesen Jahren Frau Michel und Frau Bubenheim, die Hausmeister Wilhelm Heimann und Werner Krafft.

Text: Steffen Watz

1967 – 1976: Ausbau, Bewährung und Festigung (2)

Übersicht: Weitere Bauabschnitte; die “Fachlehrer”; Abgabe von Klassen nach Limburg; “Hinführung zur Arbeitswelt”; die Forstwirte kommen.

1967 – 1976  Die Ära Nowak
Mit Willibald Nowak kommt ein Berufsschullehrer alter Prägung an die Schule, ein Mann der sog. Frankfurter Schule. Als ehemaliger Maschinenbauwerkmeister hat er die pädagogische Laufbahn mit einem Studium am Frankfurter Berufspädago-gischen Institut, dem sog. BPI, begonnen. Seit 1947 ist er Lehrer an der Philipp-Holzmann-Schule in Frankfurt. 1956 erhält er einen Lehrauftrag am BPI, wird 1959 Fachvorsteher, 1963 Fachleiter im Metallgewerbe an seiner Schule. Nach einem Kurzeinsatz als kommissarischer Schulleiter an einer Kasseler Berufsschule bekommt er die Schulleiterstelle in Weilburg. Immerhin schon Endfünfziger stürzt er sich vehement in die Arbeit und begibt sich unverzüglich an die Lösung der anstehenden Aufgaben: Ausbau der gewerblichen Abteilung, insbesondere Einrichtung der gewerblichen Berufsfachschule, Werkstattbau. Der Chronist und die Kolleginnen und die Kollegen, welche diese Zeit miterlebt haben, erinnern sich gerne an die permanente Aufbruchstimmung dieser Jahre, die dieser agile Mann an die Wilhelm-Knapp-Schule bringt.
Es geht voran. Im August 1968 stimmt der Kreistag des Oberlahnkreises dem Plan für den Werkstattbau zu. Im Oktober 1968 werden die Rohbauarbeiten vergeben, am 1. November 1969 ist Richtfest, am 26. Oktober 1970 Einweihung, an der die Prominenz der damaligen Zeit teilnimmt: der Architekt Kämpf, Kreisoberbaurat Knaust, Landrat Schneider, der Kreistagsvorsitzende Dr. Brodt, zugleich Schulleiter des benachbarten Gymnasium Philippinum, die Landtagsabgeordneten Dr. Loew und Klocksin, Bürgermeister Lehmann und viele andere. Die Nachfeier im Wandelgang zum B-Bau ist als überaus feucht-fröhliche Angelegenheit erlebte Schulgeschichte.
Die  Werkstätten sind das Modernste der damaligen Zeit. Sie decken das Metallgewerbe einschließlich KFZ, das Elektrogewerbe und das Bau- und Holzgewerbe ab. Vor allem ermöglichen sie den Fachunterricht der gewerblichen Berufsfachschule, die es seit zwei Jahren gibt und die sich bis dahin mit den Erdgeschossräumen des B-Baus behelfen muss.
Dieser Fachunterricht wird von einem für die Wilhelm-Knapp-Schule neuen Lehrertyp erteilt, den Fachlehrern. Dies sind Meister mit einer zweijährigen pädagogischen Fachausbildung an einem Seminar. Die beiden ersten sind die Kollegen Jürgen Gläser (Metall) und Josef Kolarsch (Elektro). Ihnen folgen später dann Dieter Sagel, Hans Geddert, Dieter Helfrich, Bruno Behr und Herbert Krombach als Gewerbler, bei den Hauswirtinnen Mathilde Saal und Helga Frings, bei den Kaufleuten Kurt Werner Feldhofer und Ursula Kischk. Auf die Meister, die Helfer aus Handwerk und Industrie kann man bis heute nicht verzichten. Stellvertretend für diese schlecht besoldeten Idealisten seien hier die über Jahrzehnte an unserer Schule tätigen Fachkräfte, der Friseurmeister Oskar Sinn und der Elektromeister Hans Heß, genannt.
Was aber tut sich sonst noch an der Wilhelm-Knapp-Schule in der Ära Nowak?
Zunächst steigen die Schülerzahlen oder bewegen sich doch in beruhigenden Höhen. 1971 sind es rund 1500, 1975 immer noch über 1200. Die Zahl der Teilzeitschüler überwiegt natürlich, aber der Anteil der Vollzeitschüler nimmt prozentual zu. 1971 gibt es 4 Klassen GBF, 6 Klassen KBF und 3 Klassen EBF. Dazu kommen 3 Klassen im Aufbauzug.
Aber, der neue Großkreis Limburg-Weilburg (seit 1970) wirft seine ersten Schatten auf die gute Stimmung und fordert die ersten Opfer der Wilhelm-Knapp-Schule. Im Zuge der Kooperation müssen Schüler nach Limburg abgegeben werden. Dagegen kann man nichts tun, denn die vier Berufsschulen, drei Limburger und die eine Weilburger, sind ja jetzt in einem Kreisgebiet und die Arbeitgeber haben die freie Wahl, wohin sie ihre Azubis schicken wollen. Zunächst ziehen die Maler ab, weitere gewerbliche Berufsgruppen sollen folgen. Die Bankkaufleute aus dem Weilburger Raum, die Klassenstärken erreichen, sind schon lange vorher abgegeben worden und kommen nie mehr zurück.
Dafür wird der Schule eine ergiebige neue Schülergruppe zugeführt: Für die Schüler der 9. Schuljahre an den Hauptschulen wird ein Berufschultag als „Hinführung zur Arbeitswelt“, praktisch an Stelle des Werkunterrichtes, für die Fachrichtungen Metall, Holz und Elektro, zeitweise auch für die kaufmännisch interessierten Schüler eingeführt, den im wesentlichen die Fachlehrer erteilen.
Um die kaufmännischen Berufsfachschüler auf die zukünftige Berufspraxis vorzubereiten,wird ein modernes Lehrbüro installiert, welches, das elektronische Zeitalter ist noch nicht angebrochen, die aktuellen mechanischen Rechen- und Buchungsmaschinen führt. Elektrische Schreibmaschinen und Diktiergeräte in Verbindung mit einem Sprachlabor lösen die alten Schreibgeräte aus den Anfängen der Schreibtechnik ab.
1973 wird zur besseren Auslastung der Werkstatträume die Schweißwerkstatt als DVS-Kursstelle anerkannt und in die Erwachsenenarbeit der Kreisvolkshochschule übernommen. Leiter wird als Gaslehrschweißer der Kollege Hans Geddert.
Seit dem Schuljahr 1973/74 gibt es die Landesfachklassen für Forstwirte, die vom Forstamt Weilburg als dem hessischen Forstlehrbetrieb im Blockunterricht ausgebildet werden und in dem die Kollegen der Wilhelm-Knapp-Schule den allgemeinbildenden Unterricht übernehmen. 1974 beginnt ein Förderlehrgang für nicht berufsreife Jugendliche in den Fachbereichen Metall und Elektro.
Bei all dem reicht das Raumangebot der Wilhelm-Knapp-Schule nicht aus, so dass die Schulräume der ehemaligen Landwirtschaftswinterschule und der Schulungsraum des Rotkreuzgebäudes in der Frankfurter Straße angemietet werden müssen.
Nicht vergessen werden sollen die Aktivitäten im Rahmen der Weilburger Städtepartnerschaft mit Zevenaar/Holland. Mit der dortigen Technischen School werden Kontakte aufgenommen. Besuche dort und Gegenbesuche hier erweitern den Schulhorizont und führen zu oft langjährigen Freundschaften.
Das Kollegium wächst stetig, wenn auch die altverdienten, langjährig Gedienten so nach und nach in Pension gehen, so die Kolleginnen Niemeyer, John, Letschert, Kappstein, Schwarz und Neinhardt und die Kollegen Söhngen, Bäppler, Höhler und Klick. Neue kommen, so die Kolleginnen Klocksin, Posselt, Benstein und Cunz und die Kollegen Mai, Watz, Walther, Dank und Lotter, nicht zu vergessen die Religionslehrer Michel (ev.) und Voss (kath.).
Die Nebenamtlichen und Nebenberuflichen sind in der Ära Nowak neben den schon erwähnten aus der Breitheckerschen Zeit die Lehrer von den allgemeinbildenden Schulen, so das Ehepaar Gädke und der Kollege Wetzel, außerdem der Kollege Deubner von der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg für den gärtnerischen Fachunterricht im Aufbauzug und die Kollegengattin Schubert, ferner die Meister Bender und Stehr. Frau Bubenheim verlässt als Sekretärin die Schule. Für sie kommt Frau Annelie Heil, die die Schule schon aus ihrer Handelsschulzeit kennt. Sie bleibt bis Ende 1974, dann macht sie bis 1979 eine längere Erziehungspause und kommt mit halber Stelle an ihre altvertraute Wirkungsstätte zurück. Zwischenzeitlich, für etwa ein halbes Jahr, wird sie von einem Fräulein Fries vertreten, das aber nach seiner Eheschließung bald wieder geht. Ab 1974 bis zum heutigen Tag ist dann mit voller Stelle Sekretärin Frau Doris Frank, auch sie ehemalige Handelsschülerin. Hausmeister dieser Jahre bleibt Werner Krafft.
Ansonsten geht es mit der Bauerei weiter. Der 4. Bauabschnitt, seinerzeit beim Werkstattbau vom alten Oberlahnkreis aus finanziellen Gründen zurückgestellt, wird jetzt vom neuen Großkreis angepackt. Für rund 4,5 Millionen DM kommt der sog. D-Bau in die Planung. Er sieht die Verwaltung, den kaufmännischen Bereich, das Lehrerzimmer und Funktionsräume für die naturwissenschaftlichen Fächer vor. 1974 ist Baubeginn, im Dezember 1975 Richtfest.
Die Fertigstellung und Einweihung im März 1977 hat Willibald Nowak nicht mehr im Amt, sondern als überaus rüstiger Pensionär (das ist er auch jetzt im Jahre 2006 als fast Sechsundneunzigjähriger noch) erlebt. In einer stimmungsvollen Abschiedsfeier wird er am 31. Januar 1976 hochgeehrt in den Ruhestand versetzt. In einer relativ kurzen Zeit hat er an der Wilhelm-Knapp-Schule viel geleistet und für sie viel erreicht. Er hat allerdings auch Fortune gehabt, weil die zeitlichen Umstände günstig waren: genügend Schüler und Lehrer und auch die notwen- digen finanziellen Mittel. Wie sich die schulischen Dinge bei seinem Nachfolger Lothar Nahm entwickeln, werden wir im nächsten Kapitel Schulgeschichte zeigen.
Text: Steffen Watz

1976 – 1990: Neuorientierung

Übersicht: Beginn tiefgreifender Veränderungen; Bauabschnitt D; schrumpfende Schülerzahlen; Anträge auf neue Schulformen werden eingereicht – noch ohne Erfolg.

1976 – 1990  Die Ära Nahm
So nennen wir diesen Zeitraum nach dem 4. Schulleiter der Weilburger Berufsschule.
Lothar Nahm, Schulleiter vom 1.1.1976 bis zum 30.8.1990, geboren am 24. Januar 1925 in Münster/Oberlahnkreis, führt nach seinem Kriegsabitur 1943 am Gymnasium Philippinum zunächst den elterlichen Bäckereibetrieb, beginnt 1957 ein Studium am Berufspädagogischen Institut in Frankfurt und kommt nach seiner Referendarausbildung an die Adolf-Reichwein-Schule in Limburg. Dort macht er Karriere: Assessor, Studienrat, Oberstudienrat, zuletzt stellvertretender Schulleiter.
Nach drei gewerblichen Schulleitern hat die Wilhelm-Knapp-Schule damit erstmals einen der hauswirtschaftlichen Prägung.
Seine Dienstjahre an der Wilhelm-Knapp-Schule zeigen in ihrem Verlauf eindrücklich den allmählich einsetzenden Wandel im Berufsschulwesen an dieser Schule.
Die ersten Jahre: gesunde, zahlenstarke Klassen in den drei Abteilungen (gewerblich, kaufmännisch, hauswirtschaftlich), dazu ebenfalls starke Berufsfachschulklassen und den Aufbauzug.
Dann, anfangs kaum wahrnehmbar, später aber doch immer spürbarer, deren Schrumpfen, bedingt durch die veränderte Kreisstruktur und das Wegfallen der Kreisgrenzen Weilburg/Limburg, außerdem den immer schmerzhafter werdenden Rückgang der Ausbildungsplätze im gewerblichen und kaufmännischen Bereich.
Dieser Entwicklung versucht die Schule unter Lothar Nahm mit der Einrichtung neuer Schultypen entgegenzuwirken. Zu nennen sind hier die einjährige Höhere Handelsschule für die Abgänger der Klassen 10 der allgemeinbildenden Schulen, das Berufsgrundschuljahr für Abgänger der Klassen 9 und das Berufsvorbereitungsjahr für noch nicht ausbildungsreife Abgänger der Klassen 9. Glücklicherweise kann ein starker Zugang bei den Forstwirten verzeichnet werden.
Beantragt ist auch schon die Einrichtung von Fachoberschulen der kaufmännischen und gewerblichen Richtung, einer Fachschule für Informatik und eines kaufmännischen beruflichen Gymnasiums. Dafür ist wohl die Zeit noch nicht reif, jedenfalls gibt es keine maßgeblichen Fürsprecher im Kreis.
In die Ära Nahm fällt aber auch eine wesentliche bauliche Schulerweiterung um den vierten Abschnitt, den D-Bau. Am 15. Februar 1977 eingeweiht, umfasst er die Verwaltung, das neue Lehrerzimmer, Klassenräume für die kaufmännische Abteilung, die Fachräume für die Bürowirtschaft und die naturwissenschaftlichen Fächer Physik, Chemie und Biologie.
Auch das letzte bauliche Vorhaben kann Lothar Nahm in seiner Dienstzeit noch verwirklichen: die Turnhalle, wichtig für den Schul-, aber auch den Vereinssport in Weilburg.
So ist die Ära Nahm gewissermaßen eine Übergangsphase “Teilzeitschule” zu “Vollzeitschule”. Diese Entwicklung ist auch in der laufenden Ära, die wir logischerweise die Ära Seibold nennen, noch nicht abgeschlossen.
Text: Steffen Watz