"Tag der Wiederbelebung" an der Wilhelm-Knapp-Schule

Das Einzige, was man falsch machen kann, ist nichts zu tun! – Schüler und Lehrkräfte erhielten Einblicke in die Notfallhilfe

Jedes Jahr könnten in Deutschland mehr als 10 000 Menschenleben gerettet werden, wenn bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand sofort mit der Reanimation begonnen würde. Denn richtig durchgeführte Herzdruckmassage ist hoch effektiv.

„Das Einzige, was man falsch machen kann, ist nichts zu tun!“ Dr. Tobias Löhr, Chefarzt der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin des Kreiskrankenhaus Weilburg sowie ehemaliger Notarzt, stellte vor Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften der Wilhelm-Knapp-Schule (WKS) Weilburg die immanente Bedeutung einer sofortigen Reanimation nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand heraus. Meist sei die Angst davor, einen Fehler zu machen und dadurch die betroffene Person zu schädigen, der Grund dafür keine Reanimationsmaßnahmen zu ergreifen, aber genau das sei der Kardinalfehler, betonte der Mediziner. Denn das Gehirn beginnt bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand bereits nach nur drei bis fünf Minuten ohne Blutfluss unwiederbringlich zu sterben. Das ist ein wichtiges Zeitfenster, in dem der Laienhelfer mit einer sofortigen Herzdruckmassage Leben retten kann; denn bis der Rettungsdienst eintrifft, vergehen im Durchschnitt acht Minuten oder länger.

Als weiterer Aspekt für unterlassene Hilfsmaßnahmen werden oft hygienische Gründe – die Scheu vor der sogenannten „Mund-zu-Mund-Beatmung“ – angegeben. Doch auch hier widersprach Dr. Tobias Löhr, denn diese Beatmungsmethode wurde inzwischen aus den deutschen Richtlinien der Laienwiederbelebung entfernt und sollte fast ausschließlich nur von Fachpersonal im Rahmen einer professionellen Beatmung durchgeführt werden. Eine Auswertung von Daten ergab, dass die Herzdruckmassage allein schon ausreicht, um die Überlebenschancen nach einem Herzstillstand deutlich zu verbessern. Daher stünde für Laienhelfer die Herzdruckmassage im Vordergrund und man könne in den ersten Minuten, bis zum Eintreffen des Notarztes, durchaus auf eine Beatmung verzichten.

Gemeinsam mit Christian Marek, Fachkrankenpfleger für Anästhesie- und Intensivpflege im Kreiskrankenhaus Weilburg, leitete Dr. Tobias Löhr den „Tag der Wiederbelebung“ an der Wilhelm-Knapp-Schule und führte die Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Schulformen, aber auch die Lehrkräfte des beruflichen Bildungszentrums in die zentralen Erste-Hilfe-Maßnahmen ein, die nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu ergreifen sind.

„Prüfen – Rufen – Drücken“ lautet die Merkregel für die drei zentralen Maßnahmen, die anzuwenden sind, erläuterte Dr. Tobias Löhr. Zunächst müsse die Bewusstlosigkeit, der Herzstillstand und die fehlende Atmung festgestellt werden, dann sei es wichtig sofort unter der Nummer 112 einen Notruf abzusetzen und schließlich so lange Erste-Hilfe-Maßnahmen – und vor allem schnelle und feste Herzdruckmassage mittig auf dem Brustkorb – durchzuführen, bis der Rettungsdienst eintrifft. Bei der Druckmassage sollte eine Zahl vom mindestens 100 Brustkompressionen pro Minute, bei einer Drucktiefe von fünf bis sechs Zentimetern, erreicht werden, wobei sich auch mehrere Ersthelfer abwechseln können, um Ermüdungen vorzubeugen. Wichtig ist dabei, die Herzdruckmassage nicht zu beenden, bis Hilfe eingetroffen ist.

Nach einer theoretischen Einweisung wurde anschließend die richtige Anwendung der Herzdruckmassage demonstriert und durch die Projektteilnehmer an Puppen geübt. Auch der Einsatz eines Defibrillators, den man in immer mehr öffentlichen Gebäuden, Schulen und Sporthallen findet, gehörte zu den Übungsmaßnahmen. Doch es wurde auch darauf hingewiesen, dass lediglich 25 Prozent der Patientinnen und Patienten einen durch einen Elektroschock therapierbaren (defibrillierbaren) Rhythmus haben. Nur in diesen Fällen ist eine Therapie des Herz-Kreislauf-Stillstands durch zusätzlichen Elektroschock (Defibrillation) möglich und auch sinnvoll.

Die Veranstaltung an der WKS fand im Rahmen der „Woche der Wiederbelebung“ statt, welche im Jahr 2013 erstmalig von der Deutschen Krankenhausgesellschaft initiiert wurde und die seitdem jährlich im September durchgeführt wird. Vorausgegangen war das statistisch schlechte Abschneiden Deutschlands beim lebensrettenden Einsatz von Laienhelfern nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand im Vergleich zu anderen Nationen. Ziel des Projektes ist die Laienreanimation zu fördern, um den Menschen die Scheu und Angst vor einer Wiederbelebung zu nehmen. Dabei steht die Durchführung Herzdruckmassage, welche sehr einfach und schnell zu erlernen ist, im Mittelpunkt.

Mit ihrer Informationskampagne will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gemeinsam mit ihren Bündnispartnern vom Nationalen Aktionsbündnis Wiederbelebung (NAWIB) dazu beitragen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die notwendigen Maßnahmen zur Wiederbelebung kennen und sie im Ernstfall auch anwenden. Die Menschen sollen ermutigt werden, nicht wegzuschauen, sondern aktiv zu werden.

Der seitens des Kreiskrankenhauses Weilburg durchgeführte „Tag der Wiederbelebung“ wurde von der Wilhelm-Knapp-Schule durch Studienrat Georg Wiese, dem Leiter des Schulsanitätsdienstes, Elmar Frink, dem stellvertretenden Schulleiter der Pflegefachschule Weilburg und Fachlehrer im Fachbereich Gesundheit an der WKS, sowie Monika Kröck, die Gesundheitsbeauftrage des beruflichen Bildungszentrums, in Kooperation mit dem Kreiskrankenhaus organisiert, die gemeinsam für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sorgten. Sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch von den Lehrkräften wurde die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Informations- und Übungsangeboten erfreulicherweise sehr gut angenommen. Von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die das berufliche Gymnasium besuchen, über Berufsfachschüler nahmen auch angehende Verwaltungsfachangestellte, Dachdecker und Auszubildende der Pflegefachschule bis hin zu Schülerinnen und Schülern der Mittelstufenschule an dem Projekttag teil und natürlich zählte auch das Schulsanitätsteam der WKS zu den Teilnehmern des Fortbildungsangebotes.

Über eines waren sich zum Abschluss des „Tags der Wiederbelebung“ an der WKS alle bewusst: Dieser Aktionstag kann Leben retten!

 

 

Infokasten:

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird der Herz-Kreislauf-Stillstand in Deutschland am häufigsten durch eine Herzerkrankung verursacht. Als Ursache dafür werden Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, akuter Herzinfarkt und Herzschwäche genannt. Damit ist der Herz-Kreislauf-Stillstand die häufigste Todesursache in Deutschland.

Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommt es aus unterschiedlichsten Gründen (beispielweise durch einen Herzinfarkt oder eine Lungenarterienembolie) zu einem Stopp der Pumpfunktion des Herzens und der Blutkreislauf kommt zum Stillstand. Lebenswichtige Organe, wie zum Beispiel das Gehirn, werden nun nicht mehr mit Sauerstoff versorgt und sterben ab.

Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters erleiden in Deutschland mindestens 60 000 Menschen pro Jahr einen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb eines Krankenhauses und nur etwa elf Prozent der Betroffenen überleben. Wenn mehr Menschen unverzüglich Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten würden, könnten sich die Überlebenschancen der Patientinnen und Patienten verdoppeln bis verdreifachen.

In den letzten Jahren haben immer mehr Laien bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand reanimiert. Dennoch greifen immer noch zu wenige Menschen im Notfall ein. Im Jahr 2021 lag die Quote der Laienhelfenden in der Bundesrepublik Deutschland bei 42,6 Prozent.

64 Prozent der Herz-Kreislauf-Stillstände treten zu Hause auf und 18 Prozent erfolgen in der Öffentlichkeit. Bis zu 45 Prozent aller Herz-Kreislauf-Stillstände werden von Familienangehörigen, Freunden oder anderen Personen beobachtet. Wenn Passanten oder Angehörige im Ernstfall sofort mit einer Herzdruckmassage beginnen würden, könnten jedes Jahr in Deutschland 10 000 Leben, in Europa geschätzt mehr als 100 000 Leben gerettet werden.

Immer mehr Menschen in Europa beginnen im Notfall eine Herzdruckmassage. In Deutschland konnte sich die sogenannte Laienreanimationsquote von 18 Prozent im Jahr 2011 auf gut 42,6 Prozent im Jahr 2021 steigern. In anderen europäischen Ländern werden demgegenüber bereits deutlich höhere Quoten erreicht.

Am Beispiel Dänemark zeigt sich, dass die Laienreanimationsquote durch nationale Initiativen, wie die Einführung von Wiederbelebungsmaßnahmen im Schulunterricht und einer breit angelegten Informationskampagne, von 20 Prozent im Jahr 2000 auf über 45 Prozent bis 2010 gesteigert werden konnte. Die Überlebensrate der von Herz-Kreislauf-Stillstand betroffenen Menschen wurde in Dänemark in diesem Zeitraum verdreifacht.

 

Informationsquelle:

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.): „Infoblatt – Informationen zur Laienreanimation in Deutschland 2022“, Köln, 2022

 

 

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