Theaterstück „Weinhebers Koffer“ an der WKS aufgeführt
Wer war Dr. Leonard Weinheber? Mit dieser Frage startete in der Aula der Wilhelm-Knapp-Schule (WKS) Weilburg ein intensives und spannendes Theaterstück von Autor Michael Bergmann und Rimon Productions in Köln.
Ein junger Mann namens Elias Ehrenwerth, dargestellt von Anton Tsirin, findet in einem Berliner Antiquitätengeschäft der Gegenwart einen alten Reisekoffer und erwirbt ihn als Geburtstagsgeschenk für seine Freundin Lisa. Bei näherer Untersuchung des Koffers findet Elias, der als Journalist arbeitet, eine Visitenkarte des Vorbesitzers Dr. Leonard Weinheber und begibt sich auf die Suche nach den Spuren eines Lebens. Elias findet heraus, dass Dr. Weinheber ein jüdischer Schriftsteller war, der Berufsverbot hatte, emigrieren musste und ins damalige Palästina auswandern wollte. Durch seine Recherchen gelingt es Elias, die Ereignisse dieser Zeit fast im Detail nachzuzeichnen.
Leonard Weinheber steht für ein Schicksal, wie dies sicherlich viele europäische Juden in den Wirren der Shoah durchleiden mussten. In dem Stück geht es jedoch um mehr als diese eine Spurensuche. Es geht um den Verlust von Heimat, das fürchterliche Gefühl des Herausgerissenseins und um den tiefen Schmerz einer durch Gewalt verlorenen Liebe. Über das Eintauchen in die Vergangenheit entdeckt der Protagonist des Stücks sein eigenes jüdisches Erbe und ist gezwungen sich mit seiner Situation in der Gegenwart auseinanderzusetzen. Er spürt dabei eine ähnliche Zerrissenheit wie der Vorbesitzer des Koffers. Das Stück schlägt so auch den Bogen zu den Problemen im heutigen Israel.
Über diese nachdenkliche Geschichte erfuhren Schülerinnen und Schüler des beruflichen Gymnasiums, der Fachoberschule, der Berufsfachschule sowie angehende Dachdecker aus dem Berufsschulzweig viel über die Vielschichtigkeit des heutigen jüdischen Lebens in Deutschland und in Israel. Das Stück ruft die Zuschauer zur eigenen Spurensuche und zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf. Wie kann man den heutigen Konflikt in Israel verstehen, ohne die historischen Gründe für die Gründung dieses Staates zu kennen? Wie kann man die Gedanken und Gefühle beider Parteien – der Israelis und der Palästinenser – verstehen und beurteilen, wenn man die Ursachen von Flucht und Vertreibung auf beiden Seiten negiert?
Dieses kurze Stück ist so dicht gepackt mit kleinen und großen Geschichten, dass man hinterher noch lange über die einzelnen Handlungsstränge hätte diskutieren können und müssen. Zum Glück hatten die Schülerinnen und Schüler im Anschluss an das Theaterstück noch etwas Gelegenheit mit der Regisseurin und Schauspielerin Britta Shulamit Jakobi und den Schauspielern Hanno Dinger, Isai Liven und Anton Tsirin zu diskutieren. Leider war die Zeit für diese Fragerunde aus schulorganisatorischen Gründen etwas zu knapp bemessen, aber die Impulse aus dem Stück und der anschließenden Diskussion werden sicherlich noch in der einen oder anderen Unterrichtsstunde vertieft werden.
Thomas Magyar, der Beauftragte für Konfliktmanagement an der WKS, und Markus Huth, der Vorsitzende des Vereins „Weilburg erinnert e. V.“, mit dem die Wilhelm-Knapp-Schule vor Kurzem einen Kooperationsvertrag geschlossen hat, haben die Aufführung an dem beruflichen Bildungszentrum ermöglicht, die vom stellvertretenden Schulleiter Stefan Jeanneaux-Schlapp und von Markus Huth eröffnet wurde. „Ein großes Dankeschön für diese anregenden Stunden und die großartige schauspielerische Leistung“, wandte sich Thomas Magyar nach der Aufführung an das Team von Rimon Productions. Weiterhin galt sein Dank dem Verein „Weilburg erinnert e. V.“ und insbesondere Markus Huth, der die Schule auf die Theatergruppe aufmerksam gemacht und mit ihr zusammengebracht hat. „Es wäre für die ganze Schulgemeinde eine große Freude, wenn wir in Zukunft noch weitere Begegnungen mit der Theatergruppe erleben dürften!“, betonte Thomas Magyar abschließend.